Die ayurvedische Lebensführung basiert auf vielen Ritualen und Regelmäßigkeiten. Der ayurvedische Tagesablauf, auch Dinacharya genannt, unterstützt den Körper dabei, sein größtmögliches Potenzial freizusetzen und so die Lebensqualität deutlich zu verbessern. Wenn wir uns an unsere Kindheit zurückerinnern, sind es oft Rituale, die uns zuerst mit wohligen Gedanken verbunden einfallen. Rituale geben Struktur, Halt, Sicherheit und sie erzeugen Wohlbefinden. Denn wir verknüpfen sehr bald, nachdem wir sie etabliert haben, das Wissen um deren wohltuende Wirkung auch emotional. Strukturieren wir unsere Tage gut und folgen einem regelmäßigen Tagesablauf, erleben wir mehr innere Ruhe und Gelassenheit und erreichen zugleich ein ausgeglicheneres Energielevel, dass wir über den ganzen Tag halten können.
Das dahinter liegende Prinzip ist einleuchtend: wir arbeiten mit einem ayurvedisch organisierten Tagesablauf mit den Zyklen und Ordnungsprinzipien, denen unser Mechanismus ohnehin folgt. Dazu müssen wir vielleicht mit bislang etablierten Abläufen brechen, was uns oft nicht leicht fällt – doch es lohnt sich!
Und auch wenn vielleicht nicht alle Empfehlungen des Ayurveda in jeden Alltag passen, empfehlen wir, dennoch mit einigen Dingen zu beginnen und zu erleben, wie einfach manches doch umsetzbar ist.

Die Basis sind die drei Doshas Vata, Kapha, Pitta

Die Doshas Vata, Kapha und Pitta bilden die Basis für Dinacharya, wobei diese die drei Grundprinzipien Bewegung, Veränderung und Stabilität abbilden: Vata spiegelt unser Bewegungs- und Dynamikprinzip, Pitta steht für unser Stoffwechsel- und Transformationsprinzip und Kapha für unser Struktur- und Stabilitätsprinzip. Vata bedeutet „sich bewegen“ und reguliert die Bewegungsabläufe in unserem Körper. In Vata-Phasen sind Muskeln, Organe und Nervensystem aktiv, weshalb Vata mit Veränderung verbunden wird. Kapha bedeutet „zusammenhalten“ und steht für die körperliche und geistige Stärke, das Immunsystem wird in Kapha-Phasen stabilsiert. Pitta heißt „erwärmen“, Stoffwechsel und Verdauung sind Pitta-Themen, Umwandlungsprozesse im Körper finden vorrangig in Pitta-Phasen statt.

Der Tag ist in die drei Zeitperioden Vata-, Kapha- und Pitta-Zeit unterteilt. Diese Phasen dauern je vier Stunden und sind demnach zweimal täglich aktiv. Sie stellen also eine wesentliche Grundlage für eine gesunde und bewusste ayurvedische Lebensweise dar, wenn man einigen Prinzipien davon Beachtung schenkt.

Und so kann dieses Wissen im Alltag integriert werden:

Früh aufstehen und energetisiert in den Tag starten​

 

Zwischen 4 und 5 Uhr morgens wird der Schlaf leichter, der Tag erwacht und das sollten auch wir! In dieser Vata-Phase werden alle dynamischen Prozesse im Körper aktiviert, weshalb das Aufstehen vor dem Sonnenaufgang bzw. vor sechs Uhr empfohlen wird. Um mit frischem Geist und geerdet in den Alltag zu starten, empfiehlt sich direkt nach dem Aufwachen eine kleine Meditation – und zwar noch bevor man auf das Handy schaut oder sich in irgendeiner Weise mit dem Außen beschäftigt. Ob im Schneidersitz, noch direkt im Bett oder sitzend auf einem Stuhl spielt dabei weniger eine Rolle. Es geht darum die Sinne nach innen zu ziehen und die Verbindung zur eigenen Mitte zu etablieren.

Mit morgendlichen Reinigungsritualen Klarheit für den Tag schaffen 

Nach 6 Uhr fällt das Aufwachen oft schwer. Von 6-10 Uhr ist die erste Kapha-Periode, in der der Geist naturgemäß ruhig ist. Diese Phase ist bestens geeignet, um sich der Hygiene und Reinigung von Körper und Geist zu widmen:

● Beim sogenannten Ölziehen können wir über den Mundraum ausgeschiedener Schadstoffe entledigen: Dazu nehmen wir einen Esslöffel Sesamöl in den Mund und ziehen das Öl für fünf bis zehn Minuten durch Mundraum und Zähne. Dann das Öl ausspucken – am besten in ein Papiertuch, um es über den Hausmüll zu entsorgen – und den Mund kurz mit lauwarmen Wasser ausspülen. Das Öl nimmt die Giftstoffe aus dem Mundraum auf und schützt zudem die Zähne vor Karies. Wenn kein Sesamöl zur Hand ist, geht auch Kokos- oder Olivenöl. Wichtig ist generell eine hohe Qualität der Öle.

● Besonders effektiv ist die morgendliche ayurvedische Mundhygiene, wenn dem Ölziehen das Zungenschaben folgt. Wenn kein Schaber, traditionell aus Edelstahl, zur Verfügung steht, tut es vorerst auch ein herkömmlicher Löffel. Das Prinzip ist einfach: Schaber oder Löffel ein paar Mal vom Rachenraum Richtung Zungenspitze ziehen, um den Belag und die angehafteten Bakterien sowie Ausscheidungsprodukte zu entfernen. Mund ausspülen und anschließend wie gewohnt die Zähne putzen.

● Mit dem Ölziehen und Zungenschaben werden nicht nur etwaige Schadstoffe entfernt, die Maßnahmen regen zudem die Verdauung an. Eine weitere Maßnahme zur Anregung des Stoffwechsels ist das Trinken von warmem Wasser auf nüchternen Magen.

Fit und gut genährt durch den Tag mit der ayurvedischen Uhr 

Sanft in den Tag starten: Leicht und warm frühstücken
Die beste Uhrzeit für das Frühstück ist zwischen 7 und 9 Uhr morgens. Die ayurvedische Lebensführung empfiehlt ein leichtes, warmes Frühstück, das den Stoffwechsel sanft anregt und das Energielevel auf einen guten Status hebt. Reis mit gedünsteten Früchten oder ein warmes Porridge ist hier angebracht. Wer es deftiger mag, muss nicht auf Brot verzichten – ein gutes Brot vom Bäcker getoastet mit Öl und frischen Kräutern ist ebenso eine hervorragende Alternative.

Den Tages-Zenit nutzen: Reichhaltig zu Mittag essen
Mittags ist Pitta-Zeit und unser Verdauungsfeuer brennt am stärksten. Um den Körper gut für den restlichen Tag zu versorgen, darf das Mittagessen reichhaltig sein. Eiweiß aus Fisch oder Hülsenfrüchten sowie eine große Portion Gemüse enthalten. Vor allem in den Sommermonaten ist auch ein frischer Salat mit Hülsenfrüchten oder Getreiden eine gute Wahl. Werfen wir einen Blick in die indische Küche, sehen wir, dass an Gewürzen nicht gespart wird. Das sollten wir uns abschauen, denn Gewürze wirken sich positiv auf die Verdauung aus, fördern den Stoffwechsel und balancieren die Körperfunktionen. Besonders empfiehlt die ayurvedische Küche Kurkuma, Koriander, Ingwer und Fenchel.

Mit der Sonne gehen: Mit dem Sonnenuntergang den Tag ausklingen lassen
Die zweite Kapha-Periode beginnt mit dem Untergang der Sonne, parallel fahren unsere Systeme runter. In der ayurvedischen Lebensführung sollte die letzte Mahlzeit zwischen 17.30 und 19.30 Uhr eingenommen werden. Dabei sollen möglichst leicht verdauliche Lebensmittel gewählt werden, da sich auch der Stoffwechsel in dieser Zeit verlangsamt. Eine warme Suppe oder gedünstetes Gemüse mit Fisch nähren den Körper gut ohne ihn zu belasten. Von Milchprodukten sind besser die Finger zu lassen, denn sie sind am Abend besonders schlecht zu verdauen und führen in Folge dessen bei manchen Menschen zu einem unruhigen Schlaf. 20 Uhr ist die beste Zeit für Me-Time – Zeit für Entspannung, Sport, Yoga, einen Spaziergang an der frischen Luft, ein gemütlicher Austausch oder ein Buch – die einzige Regel hier ist: Hauptsache, es tut gut und hilft das frühe zu Bett gehen vor Mitternacht zu einer Routine werden zu lassen!