Wenn es etwas gibt, wo sich nahezu alle medizinischen Ansätze und Lebensphilosophien einig sind, dann sicher im Anerkennen der Tatsache, dass wir zum Gesundbleiben Bewegung brauchen wie die Luft zum Atmen.  Auch Albert Einstein bekräftigte das mit dem anschaulichen Vergleich: “Das Leben ist wie Fahrrad fahren. Um die Balance zu halten, musst du in Bewegung bleiben.” Der Mensch ist mit all seinen Anlagen darauf ausgerichtet, sich zu bewegen. Zu viel Sitzen, einseitige Körperhaltungen und geringe körperliche Aktivität entsprechen schlicht nicht unserer Natur, führen zu Ungleichgewichten in unseren Systemen und damit häufig gar zu Krankheit.

Aber: Keine Sorge! Um dem entgegenzuwirken, muss jetzt nicht jeder gleich Marathonläufer oder Bodybuilder werden. Im Ayurveda ist auch die Menge und Intensität an Bewegung abhängig von der individuellen Konstitution und des aktuellen Balance-Zustandes. Vielleicht reicht es schon, kleine Routinen zu etablieren und zu überprüfen, welche Aktivitäten im Alltag angepasst werden können, um mehr in Bewegung zu sein.

Welche Sport- oder Bewegungsart eignet sich für welche Konstitution & Lebensweise?

Der Ayurveda unterscheidet zwischen der Grundkonstitution eines Menschen, dem sogenannten Prakriti, und dem Vikriti, dem aktuell dominierenden Dosha bzw. dem Dosha, was aus der Balance ist. Weicht das Vikriti stark ab, muss in der Regel hier angesetzt werden, um das eben vorherrschende Dosha auszugleichen. Auch wenn die finale Diagnose besser von einem Ayurveda-Arzt vorgenommen wird, gibt es klare Indikatoren, um das eigene Sport- und Bewegungsverhalten zu hinterfragen und anzupassen: .

 

Wirbelwind in Vata:  

Herrscht ein starkes Gefühl von Stress und Überforderung oder sogar von Leere und Ausgebranntheit, ist es sehr wahrscheinlich, dass eine akute Störung des Vata-Doshas vorliegt. Da Vata für Bewegung steht, wäre ein Übermaß an Bewegung hier kontraproduktiv und würde die Situation noch verstärken. Statt also Laufen zu gehen oder ein HIT-Training zu machen, ist es ratsam, auf sanfte Sportarten wie Tai Chi oder Hatha Yoga zu setzen und das ganze mit beruhigenden Anwendungen wie Ölmassagen zu ergänzen, um wieder Erdung zu finden.
Vata-Typen allerdings neigen dazu, ins Extrem zu gehen und suchen oft die Dinge, die genau gegenteilig wirken. Wirbelig wie sie sind, sind Vata-Konstitutionen schnell gelangweilt, weshalb sie auch in Sachen Bewegung unstet sind und schon nach kurzer Zeit nach neuen Herausforderungen suchen – eben noch Feuer und Flamme für das eine, sind sie in Kürze schon dabei, sich die nächste Herausforderung zu suchen. Egal, womit sich Vata-Konstitutionen Bewegung verschaffen, für sie sind die Erholungsphasen nach dem Training besonders wichtig.
Das Sprunghafte gehört zu dieser Konstitution und soll auch gar nicht abgelegt werden. Vielmehr gilt es, einen bewussten Umgang mit diesen Qualitäten zu etablieren und einen Ausgleich in der generellen Lebensführung zu finden, zum Beispiel durch erdende, wärmende Ernährung, regelmäßige Mahlzeiten, regelmäßige Ölmassagen und Meditation.

 

Loderndes Feuer in Pitta:

Pitta-Konstitutionen sind im Allgemeinen von Natur aus sportlich und bevorzugen Übungen, die sie an die Grenzen ihres Körpers führen. Daher tendieren ihre Lieblingssportarten oftmals in Richtung Boxen, Crossfit oder Gewichtheben. Lodert bei den Pitta-Konstitutionen das Feuer zu hoch, drückt sich das gerne in hohem Leistungsdruck und nicht selten in Verbissenheit aus, was ein ehrliches Hineinhören in den Körper oft unmöglich macht. Auch wenn Pitta immer nach Leistung und Herausforderung strebt, sollte hier ein moderates und nicht kompetitives Bewegungsprogramm in sinnvoller Dosierung ausgeübt werden. Pitta darf weiter mit nahezu allen Sportarten gefordert werden, wobei Maßhalten und das Erkennen des feinen Unterschieds zwischen sich fordern und überfordern eher die Herausforderung ist als alles andere, denn Pitta-Konstitutionen müssen aufpassen, nicht zu überhitzen. Durch ein zu intensives Training kann das Feuer im Körper zu hochschlagen, weshalb sich für Pitta-Konstitutionen Sportarten an der frischen Luft eignen oder im kühlenden, ausgleichenden Element Wasser hervorragend eignen.

 

Genussvolle Bewegung für Kapha:

Geraten die tendenziell eher gemütlichen und genussfreudigen Kapha-Typen aus der Balance, tendieren sie eher dazu, zu viel an Gewicht zu haben, weshalb Bewegung für Kapha umso wichtiger ist, um Gewicht und Leistungsfähigkeit zu erhalten. Ist Kapha aus der Balance, hilft neben einer sattvischen Ernährung ein möglichst dynamisches Training, um den gesamten Stoffwechsel in Fahrt zu bringen und zu halten, ohne den Körper zu überfordern. Eine sinnvolle Ergänzung zu einem steten und eher moderaten Bewegungsprogramm und der Disziplin beim Essen sind sämtliche gewebe-reduzierende Maßnahmen wie z.B. Trockenmassagen mit Seidenhandschuhen, die zusätzlich anregen. Um dem Genuss-Naturell möglichst nahezukommen, ist für Kapha-Konstitutionen auch ein Bewegungsprogramm mit einer eher sinnlichen und genussvollen Komponente wie z. B. jede Form des Tanzens eine gute Möglichkeit, sich zu bewegen. So wird nicht nur die Beweglichkeit verbessert, auch die Kapha-Qualitäten werden bewusst erlebt und geehrt. Wer kein geselliger Tänzer ist, kann es zum Beispiel mit Nordic Walking oder Wandern allein oder oder in der Gruppe probieren und mit einem kleinen Workout oder einer Stretching-Einheit eine kleine Extra-Meile gehen. Um möglichst viel Fett zu verbrennen, ist für Kapha-Konstitutionen auch regelmäßig ein intensives Krafttraining empfehlenswert. Ein weiterer Vorteil eines solchen Krafttrainings ist der Fakt, dass das neue Körperbewusstsein zu einem neuen Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl führen kann.

 

Gemeinsam sind Body & Mind weniger allein:

Soweit, so gut. Wir wissen zwar, dass Bewegung uns guttut und dennoch lassen wir uns oft von unserem inneren Schweinehund davon abhalten, buchstäblich die Beine in die Hand zu nehmen. Die Empfehlungen verschiedener Lehren und Institutionen wie zum Beispiel dem Robert-Koch-Instituts ähneln sich und sagen unisono, dass Erwachsene sich am besten täglich mindestens 30 Minuten moderat bewegen sollten und drei Ausdauer-Trainingseinheiten von 20 bis 60 Minuten sowie zwei kräftigende Trainingseinheiten pro Woche machen sollten.

Ein erster Schritt zu mehr Bewegung ist bereits damit getan, im Alltag mehr zu Fuß erledigen und die Treppen, statt den Aufzug zu nehmen.
Im Ayurveda ist ein wesentlicher Punkt, unser Denken als Voraussetzung für eine ganzheitliche gesunde Lebensführung zu ändern, was geduldige Arbeit an der eigenen Selbstdisziplin und Impulskontrolle bedeutet, was besonders durch eine sattvische Ernährung begünstigt wird. Generell gilt, dass kein Sport- oder Bewegungsprogramm wirklich nachhaltig Erfolge zeigt, wenn die Ernährung nicht stimmt und die Verbindung von Körper und Geist gestört ist, denn das wirkt immer zusammen. Gesunde Ernährung, die Freude an der Bewegung und ein realistisches Commitment, sich täglich ein wenig Zeit für Bewegung zu nehmen, spielen wohl die größte Rolle für die Motivation und das langfristige Durchhalten. Das neue Lebensgefühl ist es mehr als wert!